26 Jul 2021

In unserem exklusiven Interview mit Michael Couture – Chief Product Officer bei Cority – und Manfred Heil – Geschäftsführer bei WeSustain – erfahren Sie, was die strategische Vision hinter dem kürzlichen Zusammenschluss der beiden Unternehmen ist. Erfahren Sie außerdem, warum es für die digitale und nachhaltige Transformation eine unaufhaltsame Dynamik gibt und welche Rolle Softwarelösungen dabei spielen können und werden.

Cority ist einer der weltweit führenden Anbieter von EHS-Softwarelösungen. Inwieweit ist es für Cority der logische nächste strategische Schritt, die Managementherausforderung „Nachhaltigkeit“ innerhalb der marktführenden CorityOne™-Plattform zu adressieren?

Michael Couture: Wir sind hocherfreut, uns mit WeSustain zusammenzuschließen, da das Thema ESG- und Nachhaltigkeitsmanagement weltweit von zunehmender Bedeutung ist. Wir haben erkannt, dass das Produkt und das Expertenteam viel zu CorityOne™ beitragen können. Die ersten Erfahrungen mit WeSustain übertreffen schon heute unsere Erwartungen. Unsere Roadmap sieht vor, dass wir sowohl die Lösungen von WeSustain weiter verbessern als auch eine enge Integration von EHS und Nachhaltigkeit für operative EHS-Daten als auch ein verbessertes Reporting sowie Dashboard-System in den kommenden Monaten realisieren.

Das Ziel von WeSustain ist und war es schon immer, Unternehmen in Europa und weltweit nachhaltiger und zukunftssicherer zu machen. Inwieweit passt der Zusammenschluss mit Cority perfekt zu diesem Ziel?

Manfred Heil: Um unsere Ziele zu erreichen, müssen wichtige Voraussetzungen erfüllt sein. Dabei war für uns selbstverständlich, dass es eine zwingende strategische Argumentation in Bezug auf Produkt und Markt geben muss. Aber ebenso wichtig ist, dass die Menschen und die Kultur der beteiligten Unternehmen – Cority und WeSustain – zueinander passen müssen, damit man die Dinge gemeinsam vorantreiben kann. Während unserer ersten Gespräche und „Bonding“-Zeit hatten wir die Gelegenheit, das Cority-Team kennenzulernen und waren beeindruckt von den erfahrbaren Geschäftswerten und der professionellen Haltung. Hinzu kamen ein guter Sinn für Humor und positive Vibes, die uns mitgerissen haben.

Die Sustainable Development Goals (SDGs) betonen im Ziel 17, dass strategische Allianzen für eine nachhaltige Entwicklung unerlässlich sind. Was ist das Besondere an der Allianz, die WeSustain als neues Mitglied der Cority-Familie eingegangen ist? Welche konkreten Potenziale für mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft wollen Sie erschließen?

Michael Couture: Während der Pandemie ist das Interesse, das Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen weiter zu digitalisieren, auf der ganzen Welt überwältigend groß geworden. Wir glauben, dass wir durch den Zusammenschluss mit WeSustain unsere globale Reichweite nutzen können, um unseren derzeitigen Kunden – wie Unilever, PPG, ExxonMobil und viele tausend andere – als auch neuen Kunden zu helfen, ihre Nachhaltigkeitsleistung zu verbessern. Dabei geht es auch darum, nicht nur sich selbst, sondern auch die Geschäftspartner stärker in die Pflicht zu nehmen, um die Leistung für mehr Nachhaltigkeit in Industrie- und Entwicklungsländern zu verbessern.

Manfred Heil: Bei WeSustain haben wir schon immer an dezentrale Strukturen und Netzwerke der Innovation für mehr Nachhaltigkeit geglaubt. Und ich weiß, dass das bei Cority genauso ist. Das Thema Nachhaltigkeit verlangt, dass wir die Dinge ganzheitlich und integriert betrachten. Auf der anderen Seite führt dies zu mehr Komplexität und der Notwendigkeit, sich ergänzende Kompetenzen und Erfahrungen zu bündeln. Wenn wir unseren Kunden integrierte Lösungen zur Verfügung stellen, die auf gemeinsame Rohdaten zurückgreifen und eine einheitliche Nutzererfahrung in Bezug auf Workflows und Geschäftslogik bieten, wird dies die Produktivität erheblich steigern und neue Erkenntnisse für unsere Kunden generieren.

 

Im Zeitalter der Digitalisierung und von Big Data wachsen zwei Transformationspfade immer stärker zusammen: die digitale und die nachhaltige Transformation. Wie verbindet Cority diese beiden Pfade?

Michael Couture: Die digitale Transformation beschleunigt sich schon seit einigen Jahren, aber die Pandemie hat diesen Trend exponentiell verstärkt, wie wir in unserem täglichen „neuen Normal“ sehen. Dies hat die Nachfrage nach cloud-basierten Softwarelösungen angeheizt, die Unternehmen dabei unterstützen, Prozesse zu automatisieren und so ihre Effizienz zu steigern und die betriebliche Compliance zu verbessern (so wie es die EHS-Software von Cority schon seit vielen Jahren tut). Zudem helfen digitale Lösungen dabei, Erkenntnisse aus den gesammelten Daten auszuwerten, um so vorausschauende Entscheidungen für eine verbesserte betriebliche EHS- und Nachhaltigkeitsleistung zu treffen. Cority investiert in erheblichem Umfang in den Bereich der Analytik und letztlich in Industrie-2.0-Funktionen, um unsere Kunden zu befähigen, die Chancen beider Transformationspfade integrativ zu betrachten und zu nutzen.

Manfred Heil: Die internationale Präsenz und Reichweite von Cority wird es uns ermöglichen, unsere Bestrebungen noch schneller zu erreichen und so beide Transformationspfade zusammenzubringen. Für mich ist dies seit jeher einer der Haupttreiber bei WeSustain. Wir sehen heute, dass die einzelnen Puzzlestücke in Bezug auf die Harmonisierung von Berichtsstandards und internationalen Vorschriften langsam zusammenkommen. Mit Cority werden wir die Größe und die Geschwindigkeit erreichen, um die großartige Arbeit unseres Teams rund um den Globus voranzutreiben.

 

Wo steht Nordamerika im Vergleich zu Europa derzeit Ihrer Meinung nach, was die nachhaltige Entwicklung betrifft?

Michael Couture: Ehrlich gesagt, erwacht Nordamerika im Vergleich zu Europa gerade erst, wo das Thema der unternehmerischen Nachhaltigkeit in seiner Ganzheitlichkeit wesentlich fortgeschrittener ist. Allerdings entwickelt sich Nordamerika jetzt umso schneller, zum Teil bzw. maßgeblich angetrieben durch den Vorstoß von ESG-Kriterien im Finanzsektor. Wir wollen die innovativen Lösungen, die WeSustain europäischen Firmen seit 10 Jahren anbietet, weiter vorantreiben, um so der explodierenden Nachfrage nach digitalen Nachhaltigkeitssoftwarelösungen in Nordamerika gerecht zu werden. Dabei wird die enge Integration von EHS- und Betriebsdaten aus der Cority-Welt einen enormen Mehrwert für das geplante Gesamtangebot mit WeSustain darstellen.

Manfred Heil: Ich kann diese Beobachtung nur bestätigen. Nordamerika holt schnell auf. Natürlich leistet die EU derzeit eine bahnbrechende und mutige Arbeit. Dennoch frage ich mich manchmal, ob wir uns auf dieser Seite des Teichs nicht zu komplex und zu theoretisch der Thematik nähern und damit die beabsichtigte Wirkung möglicherweise verwässern. Daher könnte Nordamerika mit seinem eher pragmatischen Geschäftsfokus und seinem ergebnisorientierten Ansatz einen wertvollen Gegenentwurf zeichnen. Vielleicht bringt eine Kombination beider Konzepte in naher Zukunft den Durchbruch.

 

Was sind die nächsten großen Meilensteine, die Cority gemeinsam mit WeSustain im Jahr 2021 verfolgt?

Michael Couture: Wir haben mit einem ehrgeizigen Fahrplan gestartet, die WeSustain Lösungen bei Cority zu integrieren. Auch unsere Teams arbeiten schon jetzt als eine Einheit zusammen, um die WeSustain-Plattform und das gesamte CorityOne™-Angebot voranzubringen. Wir werden unsere Kunden in einem ersten Schritt darüber informieren, was sie zu erwarten haben, holen uns proaktiv Feedback von ihnen ein und arbeiten daran, die Angebote kontinuierlich zu verbessern. Dafür haben wir in den kommenden Monaten eine Vielzahl an Veranstaltungen und Kommunikationsmaßnahmen geplant.

 

Und was können WeSustain-Bestandskunden in den kommenden Wochen und Monaten erwarten?

Manfred Heil: Natürlich werden wir unsere internen Hausaufgaben machen und die bestehenden Lösungen und Prozesse auf allen relevanten Ebenen mit Cority harmonisieren. WeSustain und Cority haben in der Vergangenheit eine sehr ähnliche Technologie und IT-Architektur eingesetzt. Die Integration wird also schnell, unproblematisch und nahtlos für unsere Bestandskunden erfolgen. Derzeit planen wir, ab dem dritten Quartal 2021 diesen Integrationsprozess abgeschlossen zu haben. Wir werden dann mit bestehenden Kunden aktiv in den Dialog treten, um sie über den Integrationsprozess und die neuen verfügbaren Lösungen zu informieren. Darüber hinaus werden wir sie in die große Cority-Community einladen, damit sie über diese Plattform künftig aktiver mit anderen Anwendern in den Austausch treten können und stets über das Engagement und gemeinsame Innovationen von Cority und WeSustain informiert sind.

 

Empower for better tomorrows. In diesem Sinne: Was ist Ihre ganz persönliche unternehmerische Vision für eine nachhaltige Zukunft?

Michael Couture: Ich bin nicht gerade ein „Visionär“, aber ich habe eine klare Meinung und Haltung, welche Kraft Technologie haben kann, um große Probleme zu lösen und echte Veränderungen in unserem Leben zu bewirken. Es handelt sich ebenso sehr um eine Hoffnung wie um eine Vision, aber ich glaube, dass es eine unaufhaltsame Dynamik in den Bereichen der digitalen und nachhaltigen Transformation gibt, die bestärkt von der Pandemie ausgeht. Ich stelle mir eine Welt vor, in der die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen mit dem Wohlergehen der Gesellschaft, in der sie tätig sind, eins werden. Ich denke, dass in diesem Zusammenhang schon einiges passiert. Wir bei Cority/WeSustain werden definitiv unseren Beitrag dazu leisten.

Manfred Heil: Das wird für uns als Menschheit eine Frage von „Freiheit und Verantwortung“ sein, die stark politisch getrieben sein wird. Bei der Gründung unseres Unternehmens WeSustain haben wir das „Wir“ ganz bewusst vor unseren Namen gesetzt. Ich kann nur hoffen, dass das „Wir“ (statt eines allgegenwärtigen „Ich“) sich in den kommenden politischen und gesellschaftlichen Diskussionen als Zeichen unserer gemeinsamen Perspektive durchsetzen wird.

30 Apr 2021

Der in Deutschland ansässige Anbieter von Software für verantwortungsbewusstes Unternehmensmanagement stärkt Coritys Position im Bereich erfolgreiches und effizientes ESG- und Nachhaltigkeitsmanagement

Toronto, Kanada und Hannover, Deutschland – 30.04.2021 – Cority, der globale Anbieter von EHS-Software für Unternehmen, gab heute die Übernahme der WeSustain GmbH bekannt. WeSustain ist ein Spezialist für die Entwicklung innovativer Softwarelösungen zur Unterstützung von verantwortungsbewusstem Unternehmensmanagement und Vordenker an der Schnittstelle von Umwelt, Sozialem und Governance (ESG) und Digitalisierung.

Mit 60 Kunden – darunter ThyssenKrupp, McKesson, Merck, Commerzbank, United Internet und Hapag-Lloyd – ist WeSustain einer der weltweit führenden spezialisierten Softwareanbieter für ESG, Corporate Sustainability und verantwortungsvolle Unternehmensführung. Die GRI-zertifizierten SaaS-Lösungen von WeSustain decken die Bereiche ESG, Nachhaltigkeit, Compliance und Impact Management ab und ermöglichen ein integriertes ESG- und Corporate Sustainability Management im gesamten Unternehmen über eine zentrale Plattform.

„Der Zusammenschluss mit Cority bringt uns unmittelbar unserem Ziel näher, Unternehmen in Europa und weltweit nachhaltiger und zukunftssicherer zu machen“, sagt Dr. Manfred Heil, CEO von WeSustain. „Wir sind davon überzeugt, dass intelligente digitale Lösungen eine wesentliche Rolle dabei spielen, unseren Kunden zu ermöglichen, ihr Potenzial für mehr Effizienz, Innovation und positiven Impact auszuschöpfen und durch mehr Transparenz über ihr Handeln Vertrauen aufzubauen.“

Unternehmen konzentrieren sich zunehmend auf die Digitalisierung ihres ESG-Managements, oft als Teil einer umfassenderen digitalen Transformation von EHS-Prozessen und -Programmen. Laut McKinsey & Company gibt es Hinweise darauf, dass eine bessere ESG-Bewertung zu etwa 10 Prozent niedrigeren Kapitalkosten führt, da die Risiken, die das Unternehmen betreffen, reduziert werden.

„Eine kürzlich durchgeführte Verdantix-Umfrage unter mehr als 300 EHS-Führungskräften ergab, dass mehr als die Hälfte (60 %) planen, im Jahr 2021 Software für ESG-Reporting und Nachhaltigkeitsprogramm-Management einzuführen“, sagte Yaowen Ma, Principal Analyst bei Verdantix. „Cority hat eine rechtzeitige, strategische Akquisition getätigt, die nicht nur sein unternehmensweites Plattformangebot weiter ausbaut, sondern auch die ESG-Funktionen für Kunden stärkt, um Nachhaltigkeitsrisiken in der gesamten Lieferkette besser zu managen.“

„Wir sind begeistert, die hervorragenden Lösungen und das Top-Talent von WeSustain in die Cority-Familie aufzunehmen“, sagt Mark Wallace, Präsident und CEO von Cority Software Inc. „Die Lösungen von WeSustain sind eine Hervorragende Ergänzung zu unserer marktführenden CorityOne™-Plattform. Die Kombination stärkt unsere europäische Präsenz und positioniert Cority im Rahmen der wachsenden strategischen Bedeutung von ESG-Faktoren in jedem größeren Unternehmen auf der ganzen Welt.“

Über WeSustain

WeSustain GmbH Logo

WeSustain ist ein Spezialist für die Entwicklung innovativer Softwarelösungen im Rahmen des Nachhaltigkeits-Managements. Das Unternehmen gilt als Vordenker an der Schnittstelle von Umwelt, Sozialem und Governance (ESG) sowie Digitalisierung. Seit 2010 entwickelt WeSustain intelligente Software-as-a-Service (SaaS)-Lösungen für das Datenmanagement und das Reporting im Bereich ESG, Nachhaltigkeit sowie Impact- und Compliance-Management. Mit 60 Kunden, darunter auch große Industrieverbände und ihre Mitglieder, vertrauen rund 600 Unternehmen und Institutionen die fortschrittlichen Lösungen. Um mehr zu erfahren, besuchen Sie www.wesustain.com.

Über Cority

Cority ist der globale Anbieter von EHS-Software für Unternehmen, der branchenführende Technologien entwickelt, um diejenigen zu unterstützen, die die Welt verändern.  Seit mehr als 35 Jahren wird Cority von Innovationsgeist, tiefem Fachwissen und einer Verpflichtung zur Integrität angetrieben, die mit der umfassendsten, menschenzentriertesten und sichersten SaaS-Plattform ein höheres Maß an betrieblicher und nachhaltiger Leistung ermöglicht, um Arbeitnehmern und Unternehmen in 100 Ländern auf der ganzen Welt zum Erfolg zu verhelfen. Das Unternehmen genießt branchenweit die höchste Kundenzufriedenheit und hat viele Auszeichnungen für seine starke Mitarbeiterkultur und herausragende Geschäftsleistung erhalten. Um mehr zu erfahren, besuchen Sie www.cority.com.

Über VNT Management Oy

VNT ist seit 2014 Lead-Investor von WeSustain und eine der ersten europäischen Risikokapital-Gesellschaften, deren Fokus auf sauberen Technologien, insbesondere erneuerbarer Energie, Leistungselektronik und Energieeinsparung liegt. Dabei ist VNT in Skandinavien sowie den deutschsprachigen Raum tätig. Zurzeit führt VNT drei Fonds mit einem Investitionskapital von 157 Millionen Euro. VNT investiert hauptsächlich in technologieorientierte Start-ups und Wachstumsgesellschaften in Europa. Umfangreiche Geschäftserfahrung, aktives Management und Fairplay charakterisieren das Geschäftsprinzip von VNT.

Medienkontakt:

23 Mrz 2021

Egal ob vor- oder nachgelagert, auf Lieferketten liegt im Sinne der nachhaltigen Entwicklung ein besonderer Augenmerk. Nun ist der Beschluss für ein deutsches Lieferkettengesetz politisch verkündet und soll Verbindlichkeit von unternehmerischen Sorgfaltspflichten bringen.

von Marie-Lucie Linde, freie Mitarbeiterin bei WeSustain und Beraterin für nachhaltige Unternehmensführung

Im Zeitalter der Globalisierung und dem darin verankerten Prinzip der “globalen Arbeitsteilung” ist unsere Wirtschaft von hohen internationalen Verflechtungen und Abhängigkeiten geprägt. Branchen sind durch ihre Produktions- und Beschaffungsstrukturen ebenso wie ihre neuen Absatzmärkte in die verschiedensten Richtungen der Erde vernetzt. 

So beziehen Lebensmittelhersteller Rohstoffe aus Afrika oder Südamerika und Textilhersteller lassen ihre Produkte in Asien fertigen. Wir schauen in diesem Themenspecial – anlässlich des Beschlusses für ein deutsches Lieferkettengesetz – einmal genauer hin und fragen uns, welche neuen unternehmerischen Sorgfaltspflichten mit dem Gesetz einhergehen und wie man diesen – u.a. mithilfe digitaler Prozesse – begegnen kann. 

Lieferketten und ihre Relevanz für Nachhaltigkeit

Moderne Lieferketten gehen mit einer zunehmend hohen sozialen und ökologischen Verantwortung einher. Dies ist nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik als Erkenntnis gereift. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales definiert den Begriff der “Lieferkette” und die daraus resultierende unternehmerische Verantwortung daher wie folgt: 

Die Lieferkette umfasst den gesamten Weg eines Produktes von der Gewinnung der Rohstoffe über die Herstellung und Verarbeitung bis zur Lieferung des Produktes an die Endkunden. In der globalisierten Welt sind häufig mehrere Unternehmen und Lieferanten an der Produktion beteiligt. Deshalb ist es wichtig, dass die gesamte Lieferkette in den Blick genommen und auf Menschenrechte, einschließlich der Arbeitsbedingungen und des Umweltschutzes geachtet wird.1

Und so liegen in der besonderen Betrachtung der Lieferkette für viele Unternehmen Risiken aber auch Chancen: 

Risiken

  • eine vorherrschende Intransparenz in den Lieferketten zu nachahltigkeitsrelevanten Aspekten
  • eine mangelnde Durchsetzungskraft und Kontrolle von Nachhaltigkeitsaspekten entlang der Lieferkette
  • ein potenziell wirtschaftlicher Schaden durch Verletzung von sozialen und ökologischen Mindeststandards (Bußgelder, Sanktionen, Sachschäden etc.)
  • Reputationsrisiken durch unzureichende Übernahme unternehmerischer Verantwortung (Beispiel: Kik im Zusammenhang mit dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza, Bangladesch2)

Chancen

  • ein proaktives Risiko- und Compliance-Management im Sinne sozialer und ökologischer Mindeststandards 
  • mehr Transparenz und Kontrolle über die eigene Lieferkette 
  • eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine nachhaltige Lieferkette 
  • eine Stärkung der eigenen Glaubwürdigkeit und des Vertrauens der Konsumenten (durch die geschaffene Transparenz)
  • das Image eines positiven “Corporate Citizens” durch Übernahme unternehmerischer Verantwortung entlang der Lieferkette 

Dieses skizzierte Spannungsfeld aus Chancen- und Risiken stellt Unternehmen in der Praxis vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen und Aufgabenstellungen.

Neue unternehmerische Sorgfaltspflichten im Fokus

Um die unternehmerische Verantwortung im Rahmen nachhaltiger Lieferketten greifbarer zu machen, sind in den vergangenen Jahren sogenannte “unternehmerische Sorgfaltspflichten” in den folgenden Bereichen gemäß OECD-Leitfaden3 definiert worden:

  • Achtung der Menschenrechte (z.B. Verbot von Kinderarbeit, Schutz vor Sklaverei und Zwangsarbeit, sozialer Arbeitsschutz etc.)
  • Einhaltung von Umweltstandards, wenn sie zu Menschenrechtsverletzungen führen (z.B. vergiftetes Wasser)
  • Vermeidung von Korruption, Bestechung, Bestechungsgeldforderungen und Schmiergelderpressung 
  • Achtung von Verbraucherinteressen
  • Pflicht zur Offenlegung

In Deutschland wurden die Erwartungen an die unternehmerische Sorgfaltspflicht zur Achtung der Menschenrechte im “nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte” (kurz: NAP) beschrieben, mit dem Ziel, die Menschenrechtslage in den globalen Lieferketten zu verbessern. Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht beinhaltet gemäß NAP4 die folgenden fünf Elemente bzw. Aufgaben:

  • Verantwortung erkennen
  • Risiken ermitteln
  • Risiken minimieren
  • Informieren und berichten
  • Beschwerde ermöglichen

Was sich in der Theorie so einfach anhört, stellt sich in der Praxis wesentlich anspruchsvoller dar: Eine repräsentative Untersuchung im Juli 2020 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans hat gezeigt, dass lediglich zwischen 13 und 17 Prozent der befragten Unternehmen diese Anforderungen des NAP erfüllen.5 

Ein Meilenstein: Verbindlichkeit durch ein Lieferkettengesetz

Um eine höhere Verbindlichkeit der unternehmerischen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette zu ermöglichen, wird seit ein paar Jahren um eine ganz besondere Lösung gerungen: ein Lieferkettengesetz. Unermüdliche Verhandlungen zwischen Wirtschafts- und Politikvertretern haben im Februar 2021 durch den Beschluss für ein solches Gesetz vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ihr Ende gefunden. Und damit steht fest: Ein Lieferkettengesetz in Deutschland wird kommen.

Steckbrief zum deutschen Lieferkettengesetz (gemäß Beschluss des Bundestages):6

Name: “Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten” (auch: “Sorgfaltspflichtengesetz”)

Ziel:

  • Schaffung von mehr Gerechtigkeit für Arbeitskräfte weltweit und Stärkung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen und der Zivilgesellschaft
  • Schaffung von Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen
  • Verbindliche Regelung unternehmerischer Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette

 

Inkrafttreten und Betroffene: 

Das Gesetz gilt ab 2023 für Unternehmen ab 3.000 Beschäftigten, ab 2024 auch für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten. Das deutsche Lieferkettengesetz muss noch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beschlossen werden.

Pflichten:

  • Einführung und Umsetzung eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements entlang der Lieferkette
  • Durchführung einer Risikoanalyse zur Identifikation besonders hoher menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken
  • Ergreifung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen, um Verstößen vorzubeugen
  • Festlegung von Verantwortlichkeiten zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten, z.B. ein/e Menschenrechtsbeuaftragte/r
  • Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens zur Meldung möglicher Verletzungen bzw. Verstöße
  • jährliche Erstellung und Einreichung eines Berichtes zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten 

Ähnlich wie bei der CSR-Berichtspflicht, die in 2017 in Kraft getreten ist, werden durch das deutsche Lieferkettengesetz lediglich Großunternehmen direkt betroffen sein und in die Pflicht genommen. Jedoch ist zu erwarten, dass auch bei diesem Gesetz die schätzungsweise 600 betroffenen Unternehmen in Deutschland7 die Einhaltung der Sorgfaltspflichten an ihre mittelständischen Zulieferer und Dienstleister in der vor- und nachgelagerten Lieferkette weitergeben werden. Und genauso wie schon damals bei der CSR-Berichtspflicht gibt es auch hier zwei Lager am Markt: die einen (z.B. “Initiative Lieferkettengesetz”), die den Gesetzesverstoß im Sinne der nachhaltige Entwicklung als einen zahnlosen Tiger bewerten und die anderen (z.B. Unternehmensverbände wie BDI), die es als eine unverhältnismäßige Zumutung für Unternehmen betrachten. Gleichzeitig haben sich 50 Unternehmen öffentlich in einem Statement8 für eine gesetzliche Regelung ausgesprochen.

Eins steht fest: Das deutsche Lieferkettengesetz wird neue Anforderungen an das Lieferketten-Management sowie die Schaffung von Transparenz und Kollaboration entlang der Lieferkette in die Unternehmen tragen. Die zentrale Herausforderung liegt darin, die erweiterten Sorgfaltspflichten in das bestehende Compliance-Management-System zu integrieren sowie entsprechende Risikoanalysen und Dokumentationen einzuführen. 

Digitale und kollaborative Managementsysteme als Teil der Lösung

Bei der Schaffung von Transparenz entlang eines so komplexen Gebildes wie der Lieferkette, wird man an einer umfassenden Digitalisierung von Prozessen nicht vorbei kommen. Es wird digitale Lösungen brauchen, die Unternehmen in der Praxis dabei unterstützen, ihre Lieferketten kontinuierlich und faktenbasiert zu monitoren. Dazu müssen Daten kollaborativ entlang der Lieferkette erhoben, ganzheitlich ausgewertet und in entsprechende Dokumentationen überführt werden.  

Bei WeSustain, dem Softwareanbieter für verantwortungsvolle Unternehmensführung, hat man diesen Bedarf im Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung bereits vor 10 Jahren erkannt. “Wir beobachten, dass unternehmerische Nachhaltigkeit zu einer zentralen Managementaufgabe in Unternehmen avanciert ist, die es professionell zu planen, zu steuern und zu kommunizieren gilt. Vielen Unternehmen fehlt jedoch nach wie vor die Orientierung, wie Prozesse effizient und professionell integriert werden können, weg von Excel-Tabellen hin zu smarten und kollaborativen Prozesslösungen. Das gilt auch für das Lieferketten-Management”, betont Markus Bowe, Produktmanager bei WeSustain. Und so bietet WeSustain auf Basis der Enterprise Sustainability Management (ESM) Lösung seinen Kunden bewährte digitale und kollaborative Prozessstrukturen, mit denen sie Transparenz zu nachhaltigkeitsrelevanten Aspekten schaffen. Ein Beispiel für eine solche von WeSustain entwickelte Lösung ist die digitale Plattform “GS1 Ecotraxxfür GS1 Germanyeiner privatwirtschaftlichen Organisation für moderne Kommunikations- und Prozessstandards. Sie dient dem effizienten Austausch von Nachhaltigkeitsinformationen zwischen Herstellern, Lieferanten und Händlern. 

 

Ausblick

Zum aktuellen Stand herrscht ein Flickenteppich an nationalen und branchenspezifischen Standards und Gesetzen zur Regelung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette vor. Dabei gehen Länder in der EU wie die Niederlande oder Frankreich mit ihren bereits verabschiedeten gesetzlichen Regelungen voran, auch wenn diese in der Kritik stehen, nicht weitreichend genug zu sein. Auch die EU-Kommission plant, noch in diesem Jahr ein EU-Gesetz, das Unternehmen haftbar macht, wenn sie Menschenrechte, Umweltstandards und gute Regierungsführung verletzen oder dazu beitragen.9

Am Ende liegt der Schlüssel für eine vollumfängliche Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Lieferketten in der Digitalisierung und Big Data. Es braucht innovative und digitale Tools, die Unternehmen bei dieser neuen Management-Herausforderung unterstützen. Dabei wird für das Lieferketten-Management die Blockchain-Technologie hoch gehandelt. Denn sie könnte es künftig möglich machen, dass Daten entlang der Lieferkette verlässlich erhoben sowie belastbar verifiziert und verschlüsselt abgesichert werden.10

Fußnoten zum Themenspecial: „Nachhaltige Lieferketten auf dem Vormarsch“:

1 Vgl. BMAS: LINK,
2 Vgl. “Kik-Textilien in eingestürztem Fabrikgebäude”:LINK, vom 2.5.2013.
3 Vgl. OECD: “OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln”, S. 10.
4 Vgl. BMAS:  LINK, abgerufen am 14.3.2021.
5 Vgl. Referentenentwurf des BMAS “Gesetz über die unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten” vom 15.2.2021
6 Vgl. CSR in Deutschland: LINK, abgerufen am 14.03.2021.
7 Vgl. Tagesschau:LINK
8 Vgl. LINK, abgerufen am 16.03.2021
9 Vgl. EU-Parlament: LINK, abgerufen am 16.03.2021.
10 Vgl. CHE Manager: “Mehr Transparenz durch digitale Lieferketten” LINK, abgerufen am 11.03.2021.

10 Dez 2020

Im exklusiven Ranking „Die 200 nachhaltigsten Unternehmen Deutschlands 2021“ der stern-Redaktion und des Marktforschungsunternehmens Statista stehen fünf WeSustain Softwarekunden – darunter Allianz, Merck und Talanx – in der Top 10 der nachhaltigsten Unternehmen Deutschlands 2021.

Der Versicherungskonzern Allianz ist von der stern-Redaktion und dem Marktforschungsunternehmen Statista in einem aktuellen Ranking als nachhaltigstes Unternehmen Deutschlands 2021 bewertet worden. Neben dem Ranking-Primus Allianz sichern sich weitere vier Unternehmen und Softwarekunden von WeSustain – u.a. das Pharmaunternehmen Merck und der Versicherungskonzern Talanx aus Hannover – einen Platz in der Top 10 des Rankings. Alle fünf Unternehmen und WeSustain-Kunden nutzen die Enterprise Sustainability Management (ESM) Software für ihr Nachhaltigkeitsmanagement, das im Rahmen des Rankings entlang von 30 Kennzahlen in den drei Kategorien Umwelt, Soziales und Ökonomie analysiert und bewertet wurde. Zudem wurde über ein Onlinepanel die Nachhaltigkeits-Wahrnehmung in Bezug auf die Unternehmen durch 13.000 Bürgerinnen und Bürger erhoben.

Unsere Kunden setzen bei der Professionalisierung ihres Nachhaltigkeitsmanagements auf WeSustain als Softwarepartner, weil sie mit uns kollaborative und digitale Prozesse aufbauen und so ihre Nachhaltigkeitsprojekte wirksam steuern und umsetzen. Sie legen damit die Basis für eine transparente Kommunikation und eine effektive Nachhaltigkeitsleistung. Es freut uns sehr, dass in den Top 10 des Rankings der stern-Redaktion und Statista fünf unserer Kunden die Anerkennung für ihre Bemühungen erhalten haben”, betont Dr. Manfred Heil, Geschäftsführer bei WeSustain.

Das Magazin stern und das Marktforschungsunternehmen Statista haben insgesamt 2.000 Unternehmen mit Sitz in Deutschland für das Ranking in ihrer Nachhaltigkeitsleistung verglichen. Prämisse dafür war, dass das Unternehmen mindestens 500 Mitarbeiter beschäftigt, zu den umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland zählt oder einem Index in der Dax-Familie gelistet ist. Dabei wurde die Rüstungsindustrie ebenso wie Firmen mit Treibhausgas-Emissionen von über zehn Millionen Tonnen vom Ranking ausgeschlossen. Insgesamt konnten sich 200 Firmen für das Ranking qualifizieren.

Mehr zu den Kunden von WeSustain finden Sie unter:
https://wesustain.link/kunden

Ansprechpartner WeSustain GmbH

Markus Bowe
ESM-Produktmanager
markus.bowe@wesustain.com

Michael Schnerring
Vertriebsleiter “ESM Lösung”
michael.schnerring@wesustain.com

26 Nov 2020

17 globale Nachhaltigkeitsziele und 5 bis 7 Billionen US Dollar pro Jahr um diese zu erreichen. Die Sustainable Development Goals und ihre Finanzierung fordern Gesellschaften, Realwirtschaft und Kapitalmarkt heraus. Der “SDG Investment Case” soll die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit schließen.

von Marie-Lucie Linde, freie Mitarbeiterin bei WeSustain und Beraterin für nachhaltige Unternehmensführung

Auf dem SDG Business Forum in 2017 haben führende Wirtschaftsorganisationen, Institutionen und Netzwerke des privaten Sektors die Bedeutung der Sustainable Development Goals (kurz: SDGs) der Vereinten Nationen für die Wirtschaft auf den Punkt gebracht: „Die SDGs bieten allen Unternehmen eine neue Linse, durch die sie die Bedürfnisse und Ambitionen der Welt in Geschäftslösungen umsetzen können (…).1

Doch die SDGs sind nicht nur für Unternehmen von zentraler Bedeutung. Sie sind zu einem universellen Rahmen geworden, der alle Akteure der Weltgemeinschaft auf ein klares und in dieser Form noch nie dagewesenes Zielbild zur Bewältigung der drängendsten weltweiten Probleme wie Armut, Hunger und den Klimawandel einschwört. Dabei spielen neben den Unternehmen vor allem auch der Privatsektor des Finanzmarktes eine ganz zentrale Rolle. Wir fragen uns in diesem Themenspecial daher, welche Relevanz die SDGs für Investoren haben und was sich hinter dem sogenannten “SDG Investment Case” verbirgt.

Die SDGs – ein universelles Zielbild für die Welt

Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen und mit ihr die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) wurden von der globalen Staatengemeinschaft – Industrie- und Entwicklungsländer gleichermaßen – in 2015 verabschiedet. Ein internationaler Durchbruch ohnegleichen und längst überfällig für die nachhaltige Entwicklung, betonte auch der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon: „Wir können die erste Generation sein, der es gelingt, die Armut zu beseitigen, ebenso wie wir die letzte sein könnten, die die Chance hat, unseren Planeten zu retten.2

Die 17 Nachhaltigkeitsziele stellen eine universelle Agenda zur Bewältigung der drängendsten Probleme des 21. Jahrhunderts dar und zeichnet ein klares Zielbild einer lebenswerten Welt in 2030. Mit ihren insgesamt 169 Unterzielen geben die SDGs der Weltgemeinschaft einen Rahmen mit klaren Zielvorgaben und Handlungsfeldern, auf die es hinzuwirken gilt. Die SDGs sind somit ein “Call to action”, um ein neues und tragfähiges Modell für die Zukunft zu schaffen, indem Wirtschaftswachstum erreicht wird, ohne dabei unsere Umwelt zu gefährden oder andere Gesellschaften ungerechte Belastungen aufzuerlegen. Dabei geht dieser Ruf ausnahmslos an alle Marktakteure: 

  • an ganze Staaten, die mithilfe ihrer nationalen Nachhaltigkeitsstrategien die politischen Rahmenbedingungen und Anreize schaffen sollen
  • an Unternehmen, die mit nachhaltigen Geschäftslösungen einen Beitrag zur Bewältigung der konkreten Probleme wie Klimawandel, Armut und Ungleichheiten leisten sollen sowie 
  • an Investoren vor allem aus dem Privatsektor, die die SDGs als Leitlinie für verantwortungsvolles Investieren heranziehen sollen, um so die notwendige Finanzierung der SDGs zur Verfügung zu stellen.

SDG Goals

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 1: Die 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen

Die SDGs und der Kapitalmarkt

Um die SDGs Realität werden zu lassen, braucht es Expertenmeinungen zufolge etwa 5 bis 7 Billionen US Dollar an Investment pro Jahr. Wenn man jedoch die aktuelle Situation betrachtet, dann klafft eine erhebliche Lücke zwischen, dem was gebraucht wird, um die SDGs zu erreichen, und dem, was derzeit an finanziellen Mitteln zur Verfügung steht. ExpertInnen sprechen in diesem Kontext von der sogenannten “SDG-Finanzierungslücke” (engl. “SDG funding or financing gap”), die es von 2015 bis 2030 zu schließen gilt3. Doch wer soll diese Lücke schließen und wie? 

Spätestens mit dieser Frage haben die SDGs – neben Regierungen weltweit – den Kapitalmarkt erreicht. Denn vor allem die private Finanzierung und privates Kapital bergen das Potenzial, die SDG-Finanzierungslücke zu schließen. Und so geht der Appell an Investoren, ihre Investitionsströme auf die neuen innovativen Produkte und Dienstleistungen umzulenken, die sich auf die Erreichung der SDGs konzentrieren. “Im Gegensatz zum ESG-Ansatz trägt die Fokussierung auf die SDGs zur aktiven Lösung von Problemen bei. Deswegen betreiben wir die SDG INVESTMENTS Plattform, die sich ausschließlich auf die Vermittlung von Finanzierungen für Unternehmen konzentriert, deren Dienstleistungen und Produktlösungen einen positiven Beitrag zu den SDGs haben”, betont Frank Ackermann, Managing Partner bei SDG Investments. Die “Business & Sustainable Development Commission” als auch die Initiative “United Nations Principles for Responsible Investment” (kurz: UN PRI) betonen ebenfalls, dass es für Investoren des privaten Sektors einen klaren “SDG Investment Case” gibt: Die SDGs könnten nämlich allein in den Bereichen Nahrungsmittel, Landwirtschaft, Städte und Kommunen, Energie und Rohstoffe sowie im Gesundheitswesen Marktchancen in Höhe von bis zu 12 Billionen US Dollar eröffnen und bis 2030 380 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen.4 

Zudem besagt die Treuepflicht des 21. Jahrhunderts, dass Investoren als Teil ihrer Pflicht gegenüber Begünstigten alle finanziell materiellen Faktoren zu berücksichtigen haben, unabhängig von ihrer Herkunft.5 Das bedeutet, dass neben den rein finanziellen eben auch die Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen (ESG-Kriterien) bzw. Risiken bei den Finanzanalysen und Portfolio-Aufbaustrategien eine zentrale Rolle spielen müssen. Das derzeit prominenteste Beispiel ist die Integration von klimabezogenen Risiken in bestehende Risikoprozesse, wie es u.a. die BaFin in ihrem Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken empfiehlt. Und so definiert die Initiative UN PRI verantwortungsvolle Investitionen als eine Strategie und Praxis zur Einbeziehung von ESG-Faktoren in Investitionsentscheidungen. Und gleichzeitig bekennen sich die UN PRI-Unterzeichner in der Präambel zu den “6 Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren” klar zu den SDGs: „Wir erkennen an, dass die Anwendung dieser Grundsätze die Investoren besser mit den umfassenderen Zielen der Gesellschaft in Einklang bringen kann.” Weiter betont UN PRI in seiner Veröffentlichung “The SDG Investment Case” aus dem Jahr 2017, dass noch nie zuvor diese „umfassenden Ziele der Gesellschaft“ klarer definiert wurden, als in den SDGs.6

UN PRI prägt den „SDG Investment Case“

Die Initiative der Vereinten Nationen “UN PRI” prägt mit ihren “6 Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren” und ihrer klaren Haltung maßgeblich den aktuellen Diskurs rund um den „SDG Investment Case“. Die über 2.400 Unterzeichner der Prinzipien verpflichten sich gemeinsam einer ambitionierten Mission: “Wir glauben, dass langfristige Wertschöpfung nur in einem wirtschaftlich effizienten, nachhaltig gestalteten globalen Finanzsystem möglich ist. Ein derartiges System wird langfristige, verantwortungsvolle Investitionen belohnen und sowohl Umwelt als auch der Gesellschaft als Ganzes zugutekommen.

Konsistent zu dieser Mission bringt die UN PRI mit ihrer Arbeit, ihren Ausführungen und ihrem Framework u.a. in Partnerschaft mit der “UN Alliance for SDG Finance” auch den „SDG Investment Case“ voran und appelliert Investoren gegenüber unermüdlich zu  wirkungsorientierten Strategien. Mit der Veröffentlichung “The SDG Investment Case“ prägt UN PRI die Argumente für das verantwortungsvolle Investieren im Sinne der SDGs und gibt eine Antwort auf die Frage, warum die SDGs für die Anlagestrategien, die Asset Allokation und Investitionsentscheidungen so relevant sind.

Dabei stehen 5 Argumente im Fokus7:

  1. Die SDGs sind der weltweit vereinbarte Nachhaltigkeitsrahmen, den es bis 2030 zu finanzieren gilt, indem Gelder in langfristig und nachhaltig wirtschaftende Unternehmen und Ökonomien investiert wird.
  2. Die SDGs gehören zur treuhänderischen Verantwortung, da sie Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (kurz: ESG) global konkretisieren.
  3. Die SDGs werden das Weltwirtschaftswachstum vorantreiben und enorme Marktchancen hervorbringen.
  4. Die SDGs eignen sich zum mikroökonomischen Risikomanagement, indem sie externe Kosten und deren finanzielle Materialität aufzeigen und somit die ESG-Risiko-Frameworks bei Investoren stärken.
  5. Die SDGs lassen sich bei verschiedenen Anlageklassen in ein Leitfaden für die Kapitalallokation übersetzen, da immer mehr Unternehmen ihre Geschäftsmodelle auf die SDGs ausrichten.

Diese Argumentation ist für die meisten Investoren nachvollziehbar, weswegen viele die Rolle der SDGs für die Entwicklung einer verantwortungsvollen Investitionsagenda für die nächsten 10 Jahre als zentral ansehen. Und dennoch steckt der „SDG Investment Case“ bei vielen noch in den Kinderschuhen: Viele Investoren haben noch keine Antwort auf die Frage, ob und wie die SDGs ihre Investitionsstrategie, Politik, Vermögensallokation und andere Investitionsentscheidungen beeinflussen werden. Einen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage soll die geplante EU-Taxonomie leisten. “Für jede Industrie definiert die Taxonomie Kriterien für klimafreundliche Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionen (Mitigation) oder zur Anpassung (Adaptation), wie bspw. Emissionslimits bei Autos oder grüne Stahlverfahren in der Stahlherstellung. Investoren, die Maßnahmen finanzieren und diese Kriterien einhalten, können ihr Investment als grün markieren und Taxonomie-konform nennen.”9

Die Rolle von Big Data für den „SDG Investment Case“

In der Realwirtschaft und am Kapitalmarkt nutzen immer mehr Akteure die SDGs als Framework, um die Wirkung von Nachhaltigkeits- oder ESG-Maßnahmen messbar zu machen. Und dort, wo das Wort “Messbarkeit” anklingt, ist auch das Thema “Big data” nicht weit entfernt. Und so stellen auch in diesem Kontext Daten ein zentrales Transformationspotenzial dar. “Neue Datenquellen wie z.B. Satellitendaten, neue Technologien und neue analytische Ansätze können, wenn sie verantwortungsbewusst eingesetzt werden, eine agilere, effizientere und evidenzbasierte Entscheidungsfindung ermöglichen und die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung (SDGs) besser messen, und zwar auf eine Weise, die sowohl integrativ als auch fair ist”, unterstreichen die Vereinten Nationen in ihrem Statement “Big Data for Sustainable Development”. 

Und auch hier spielt der private Sektor, wie auch am Kapitalmarkt zur Schließung der SDG-Finanzierungslücke, eine zentrale Rolle. Denn viele Daten werden derzeit durch den privaten Sektor erhoben. Arturo Martinez, Statistiker in der Abteilung für Wirtschaftsforschung und regionale Zusammenarbeit, und Jose Ramon Albert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am “Philippine Institute for Development Studies” beschäftigen sich in ihrem Blog-Beitrag “Big Data can transform SDG performance” mit den Chancen und Herausforderungen in der Wirkungsmessung der SDGs. Ihre aktuelle Einschätzung ist: “Die Ziele für nachhaltige Entwicklung bieten spezifische, zeitgebundene und quantifizierbare Ziele, die mit den nationalen Entwicklungsplänen und Prioritäten übereinstimmen. Angesichts der über 230 Indikatoren für nachhaltige Entwicklung – von denen viele nach Ort, Geschlecht, Alter, Einkommen und anderen relevanten Dimensionen aufgeschlüsselt werden müssen – ist es für die nationalen Statistiksysteme (NSS) jedoch nicht einfach, die notwendigen granularen Daten zur Überwachung aller Indikatoren und Ziele zu sammeln.10

Der Trend hin zu “Big Data”, den auch die beiden Wissenschaftler beschreiben, spielt der Wirkungsmessung im Sinne der SDGs somit in die Karten: Die enorme Datenmenge, die durch zunehmend digitalisierte Prozesse und moderne Technologien wie Softwarelösungen im privaten Sektor entsteht, kann die Basis für eine belastbare Messung schaffen. Und so beginnen erste Unternehmen ihre Geschäftstätigkeit und ihr zusätzliches Engagement auf diese 17 SDGs zu matchen und konkret zu schauen, auf welches der Ziele sie einen messbaren Beitrag leisten können. Das Impact Measurement entlang der SDGs, wie auch der „SDG Investment Case“, befindet sich jedoch noch in den Kinderschuhen. In der Praxis mangelt oftmals noch an den verlässlichen Management-Tools, um die relevanten Daten für eine Wirkungsmessung zu erheben und zu analysieren. Der Softwareanbieter für verantwortungsvolle Unternehmensführung – WeSustain – als ein Beispiel hat dieses Bedürfnis der Unternehmen erkannt und unterstützt mit der “Impact Management Software” Unternehmen bei der Professionalisierung ihrer betrieblichen Wirkungsmessung entlang der SDGs. Mithilfe zahlreicher Funktionen können Nutzer hier Daten zuverlässig erheben, die Wirkung einzelner Projekte mithilfe von Zielen wie den SDGs auswerten und Berichte erstellen.

Die SDGs als Richtungsgeber für eine nachhaltige Transformation

Der hier gezeichnete und von der Initiative der UN PRI geförderte “SDG Investment Case” zeigt, dass wir in Sachen nachhaltiger Entwicklung gereift sind: Raus aus dem Zeitalter des “do no harm”, in das Zeitalter des “real-world impacts”11. Dabei zeigt sich zunehmend, dass für Investoren “doing safe by doing good” in Form einer proaktiven ESG-Strategie ein Erfolgsfaktor ist. Die Ausrichtung auf die SDGs birgt dabei – sowohl für Realwirtschaft als auch für Investoren – immense Marktchancen. Aber nur wenn wir es schaffen, die Finanzierungslücke zu schließen, sprich Kapital und nachhaltige Geschäftslösungen für die Bewältigung der in den SDGs adressierten drängendsten Probleme der Welt zusammenzubringen. Dabei werden Kapitalströme aus dem Privatsektor von entscheidender Bedeutung sein, weswegen man gespannt auf die sich konkretisierende EU-Taxonomie blicken kann. Zur Umsetzung der SDGs werden zudem Big Data und smarte datenbasierte Tools zum neuen Standard werden, damit der “real-world impact” im Sinne der SDGs in Zukunft steuerbar, messbar und transparent wird. Nur so können wir konkret auf das Zielbild 2030 hin steuern und arbeiten.

Fußnoten zum Themenspecial: „Mit dem “SDG Investment Case” die Lücke schließen“:

1 Vgl. LINK, abgerufen am 05.11.2020.
2 Vgl.  LINK, abgerufen am 14.11.2020.
3 Vgl. UNPD (2017):  LINK, abgerufen am 14.11.2020.
4 Vgl. UNPD (2017):  LINK, abgerufen am 14.11.2020.
5 Vgl. UN PRI (2017): ““SDG Investment Case“”: LINK, abgerufen am 02.11.2020.
6 Vgl. UN PRI (2017): ““SDG Investment Case“”: LINK, abgerufen am 02.11.2020.
7 Vgl. Susanne Bergius im Handelsblatt (2018): “Nachhaltige Investments – UN-Ziele zum Investmentfall machen”. S. 3.
8 Vgl. Dr. Matthias Kannegiesser – sustainable natives eG (2020): LINK, abgerufen am 14.11.2020
9 Vgl. UN, LINK, abgerufen am 14.11.2020.
10 Vgl. Asian Development Blog (ADB): LINK, abgerufen am 14.11.2020.
11 Vgl. UN PRI: LINK, abgerufen am 14.11.2020.